PROGRAMMTAGUNG 2017: RELIGION & MIGRATION IM INTERKULTURELLEN RADIO

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//// Eintritt frei ////

Angesichts der neuen Migrationsbewegungen nach Europa wird in der Öffentlichkeit immer wieder die Frage nach der Beziehung von Migration und Religion gestellt. Migrant_innen werden mit ihren religiösen Praktiken in der Migrationsgesellschaft oft zu Minderheit gemacht und ihr Recht auf Glauben und Spiritualität zu einem Sonderfall in der Gesellschaft. Dadurch entsteht eine gesellschaftliche Spannung, die sowohl als Gefahr wie auch als Potenzial für die interkulturelle Verständigung betrachtet werden kann. Das ist allerdings nicht die einzige Frage in Bezug auf Migration und Religion, die in einem alternativen – nicht-kommerziellen, nicht-rassistischen und nicht-sexistischen –  und interkulturellen Medium wie Radio LoRa aufkommt.

Viele Migrant_innen und geflüchtete Menschen haben schwer verletzende Erfahrungen mit religiösen Praktiken gemacht. Terroristische Gruppen wie DAESH und staatliche Strukturen wie im Iran, in Saudi Arabien oder der Türkei zwingen Menschen mit Gewalt zu einem Glauben. Dabei werden mörderische Praktiken und Ausbeutungsstrukturen angewendet und patriarchale und rassistische Hierarchien aufrechterhalten. Ebenso haben Praktiken der katholischen und protestantischen Kirchen wie auch von christlichen Sekten in Lateinamerika und Afrika eine starke Abwehrhaltung bei vielen Menschen hinterlassen. Die Komplizenschaft der christlichen Kirchen und Sekten mit der kolonialistischen Ausbeutung ist heute noch immer spürbar und führt viele Menschen berechtigterweise zu einer antikirchlichen Haltung. Desmond Tutu, selbst katholischer Bischof aus Südafrika, fasst die Verstrickung der Kirche in der kolonialen Ausplünderung so zusammen: „Als die ersten Missionare nach Afrika kamen, besaßen sie die Bibel und wir das Land. Sie forderten uns auf zu beten. Und wir schlossen die Augen. Als wir sie wieder öffneten, war die Lage genau umgekehrt: Wir hatten die Bibel und sie das Land.“

Viele New Age-, Meditations- und esoterische Strömungen weisen ebenfalls Verstrickungen mit rassistischen, patriarchalen und kapitalistischen Herrschaftsstrukturen auf, wie zum Beispiel durch ihre Nähe zu Verschwörungstheorien oder völkischem und nationalsozialistischen Gedankengut.

In der Radiopraxis sind mehrfach Diskussionen über die Rolle der Religion in gemeinschaftlichen Medien aufgetaucht: Sollte das Sprechen über Religion in einem alternativen Radio verboten werden? Oder ist es legitim, über die eigene Spiritualität zu reden? Aus der Perspektive von Radio LoRa stellt sich besonders die Frage nach der Verstrickung von Religion und Macht, denn Radio LoRa hinterfragt die herrschenden sozialen und kulturellen Machtverhältnisse und verschafft den Stimmen von sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen Gehör. Vor diesem Hintergrund möchten wir der Frage über Religion im Radio Lora in Hinblick auf ihre Machtverstrickungen nachgehen und zielen darauf ab, die Antwort in einer nicht-rassistischen, nicht-patriarchalen und nicht-kapitalistischen Haltung einzuordnen.

Die Tagung wird anlässlich des Internationalen Tages der Menschenrechte organisiert und findet in der Roten Fabrik statt. Dabei werden verschiedene Perspektiven auf das Thema Religion, Migration und Medien aufgezeigt. Die Tagung wird auf Radio LoRa live gesendet und für das Publikum vor Ort teilweise auf Englisch, Türkisch und Spanisch übersetzt.

Die Tagung hat den Anspruch, Medienschaffenden, besonders Sendungsmachenden aus Radio LoRa und anderen lokalen komplementären Radios  Analysewerkzeuge an die Hand zu geben, mit denen sie über das Verhältnis zwischen Religion, Interkulturalität und Migration in ihren Berichterstattungen nachdenken und es bewusst einrahmen können. Ebenso möchte Radio LoRa den interkulturellen und interreligiösen Dialog in den Medien und der Öffentlichkeit fördern.

PROGRAMM

19:00 BEGRÜSSUNG UND EINFÜHRUNG IN DIE TAGUNG

Felipe Polanía Konzept und Projektleitung, Radio LoRa

19:30 KEYNOTE I :

RELIGION ALS THEMA IN DER MEDIEN

Amira Hafner-Al Jabaji Präsidentin des Interreligiösen Think-Tanks. Muslimische Islamwissenschaftlerin und freie Journalistin. Seit Februar 2015 Moderatorin der Sternstunde „Religion“ von SRF.  Nominiert für den EMWI-Award (European Muslim Women of Influence); 2011 für ihr langjähriges Engagement für den Dialog zwischen den Religionen ausgezeichnet mit dem Anna-Göldi-Preis und 2016 mit dem Fischhofpreis

http://www.interrelthinktank.ch/

20:15 KEYNOTE II :

PFLICHTEN UND RECHTEN DER JOURNALIST_INNEN

Seraina Kobler Schweizer Presserat. freie Autorin, bis 2016 tätig in verschiedenen Zeitungen (Tages Anzeiger, Sonntagszeitung und Neue Zürcher Zeitung) Seit 2017 Mitglied der Schweizer Presserat

Das Recht auf Information, auf freie Meinungsäusserung und Kritik ist ein grundlegendes Menschenrecht. Journalistinnen und Journalisten sichern den dafür gesellschaftlich notwendigen Diskurs. Aus dieser Verpflichtung leiten sich auch ihre Pflichten und Rechte ab. Der Schweizer Presserat dient dem Publikum und den Medienschaffenden als Beschwerdeinstanz. Er wacht über die Einhaltung des für alle Journalisten gültigen Journalistenkodex – seit genau vierzig Jahren.

https://presserat.ch/

14:00 RELIGION -ALLES SEKTE? FUNDAMENTALISMUS, SEKTENDYNAMIK UND INTOLERANZ ALS PROBLEM JEDER RELIGION

Dieter Sträuli Präsident des Vereins InfoSekta, Fachstelle für Sektenfragen. Psychologe; Vorlesungen über die Psychodynamik von Sekten an der Universität Zürich, psychoanalytische Ausbildung, in der Ausbildung von Psychoanalytikern engagiert. Forschungsthema: moderne Mythen (UFOs, Verschwörungstheorien, Pseudowissenschaften, Sektenideologien)

Religion ohne Sektenhaftigkeit ist möglich, verlangt aber von den Gläubigen Distanz zur eigenen Religiosität und Selbstreflexion. „Sekte“ ist ein Zustand, in den wir alle sehr rasch verfallen, wenn wir nicht aufpassen. Die Ursache für diese Gefahr ist unser Verhältnis zur Wahrheit. Wahrheit existiert durchaus, aber sie ist eine „Gnade“ für uns Subjekte; sie ist jeweils da für einen Augenblick der Einsicht. Versuchen wir sie festzuhalten, verliert sie ihre Kraft. Eine (schlechte) Lösung besteht dann darin, Andersgläubige zu verfolgen, damit wir für uns selbst die Illusion aufrechterhalten können, dauerhaft „in der Wahrheit“ zu sein. Wir definieren uns dann als Gläubige über die sogenannten Ungläubigen. Das Resultat ist Verfolgung und Krieg.

http://www.infosekta.ch/

14:45 GLAUBENS- UND GEWISSENSFREIHEIT IST KEINE JOKERKARTE GEGEN DEN RECHTSSTAAT

Andreas Kyriacou Präsident der Freidenker-Vereinigung Schweiz. Er arbeitet als Berater für Wissensmanagement. Er wuchs in England, auf Zypern und in der Schweiz auf und studierte klinische Linguistik in Potsdam und Groningen und Business Administration an der Britischen Open University. Von 2015 bis 2017 absolvierte er das MAS in angewandter Ethik an der Universität Zürich und widmete sich in seiner Thesis der Frage, ob Strafgefangenen Zugang zu Suizidbeihilfe gewährt werden sollte.

Die Bundesverfassung garantiert in Art. 15 die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Der Artikel ist klug formuliert – und deutlich als Individualrecht, nicht etwa als Anspruchsrecht von Kollektiven. Ebenso klar ist, dass dieser Grundrechtsartikel nicht über anderen steht und somit nicht als Jokerkarte gegen andere Rechtsgarantien zu verstehen ist. Zur Glaubensfreiheit gehört nicht nur das Recht, die eigene weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen, sondern auch das Recht, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören. Diese Freiheiten kann nur ein säkularer Staat garantieren. Es gilt deshalb, ihm Sorge zu tragen und weiter zu entwickeln – auch, weil die Gesellschaft zunehmend religionsfern ist.

http://www.frei-denken.ch

15:30 RELIGIONSFREIHEIT OHNE DISKRIMINIERUNG -GRUND- UND MENSCHENRECHTLICHE ÜBERLEGUNG

Tarek Naguib Forscher und Dozent Zentrum für Sozialrecht, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

http://www.naguib.ch/

16:15 PAUSE

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16:45 RELIGION ALS REVOLUTIONÄRE KRAFT : WAS IST DIE THEOLOGIE DER BEFREIUNG?

Nicolás Herrera Farfán Forscher der Stiftung Colectivo Frente Unido und Mitwirkende bei der Institut für Lateinamerikanische und Karibische Studien, Universität von Buenos Aires, Argentinien

Die Befreiungstheologie ist eine lateinamerikanische Richtung der christlichen Theologie. Sie versteht sich als „Stimme der Armen“ und stellt sich an die Seite der Opfer der kapitalistischen Ausbeutung und Unterdrückung. Drei Situationen wirkten bei der Entstehung der Befreiungstheologie mit: Das Zweite Vatikanische Konzil (1962), der Guerrilakampf und Tod von Camilo Torres Restrepo, katholischer Priester in Kolumbien (1967), und die zweite allgemeine lateinamerikanische Bischofskonferenz (CELAM) in Medellín (1968). Den zentralen Punkt der Befreiungstheologie bildet die Überlegung: Beten allein reicht nicht, die Nächstenliebe muss in einer revolutionären Praxis gelebt werden.

http://colectivofrenteunido.blogspot.ch/

17:30 DER ISLAM ALS KRITISCHES DENKEN

Recep İhsan Eliaçık Theolog und Schriftsteller antikapitalistische muslime, Türkei

http://www.ihsaneliacik.com/

http://www.zeitschrift-luxemburg.de/interview-die-letzte-haltestelle-vor-dem-atheismus/

18:15 JUDENTUM: RELIGION ALS KOLLEKTIVES GEDÄCHTNIS

Dr. Annette Mirjam Böckler Fachleiterin Judentum am Zürcher Institut für interreligiösen Dialog (ZIID) und Rabbinerin in Ausbildung beim Leo Baeck College in London. Die Bibel-und Liturgiewissenschaftlerin ist Autorin verschiedener Werke und Artikel über das Judentum

Jüdisches Leben ist gelebte Erinnerung. Wir bilden unsere Identität auf der Basis von Erzählungen über die Schöpfung der Welt, Abraham und seine Beschneidung, dem Auszug aus Ägypten, die Gabe der Tora, aber auch aus vielen Geschichten über Pogrome, Vertreibungen und Vernichtungsversuchen. Es sind Erinnerungen an Familientraditionen in anderen Ländern, die modisch und kulinarisch gepflegt werden. Manch eine jüdische Gruppe wirkt wie eine fremde Oase, andere sind äusserlich nicht unterscheidbar. Dies alles ist wesentlich für das Judentum, denn in der jüdischen Religion geht es um die Bildung von Gruppen und um das Zusammenleben von Menschen. Ist eine Integration in die Gesellschaft möglich? Und wie? Oder in welchen Fällen nicht? Hindert oder fördert unsere kollektive Erinnerung die Integration in die allgemeine Gesellschaft?

https://www.ziid.ch

19:00 SCHLUSSWÖRTE

20:00 FILMVORFÜHRUNG

„EL RASTRO DE CAMILO“ Diego Briceño, (2016). OmU Engl.

Film über den kolumbianischen Guerrilla Priester und Figur der Befreiungstheologie Camilo Torres Restrepo

TEASER (Englisch) :

TRAILER (Spanisch) :

FERNSEHBERICHT ÜBER CAMILO TORRES IM TELESUR (ENGLISH):

 

EMPFOHLENE LEKTÜRE (Alle PDF Dokumente verknüpft):

 

RELIGION ALS SOZIALE DEUTUNGSPRAXIS Lingen-Ali Ulrike, Mecheril Paul

LA RELIGION COMO UNA DIMENSIÓN DE LA CULTURA Camarena Adame María Elena, Tunal Santiago gerardo

 

EINE VERANSTALTUNG VOM RADIO LORA IN KOOPERATION MIT DEM KONZEPTBÜRO DER ROTEN FABRIK

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